Und überhaupt: Wer sind diese »Russen« und »Georgier« eigentlich? Vor allem
sind sie alle postsowjetische Menschen, denen es nur so scheint, als seien sie
nach dem großen Terror in ihre nationalen Nischen zurückgekehrt – ganz so, als
hätte der Terror bei ihnen keine tiefen Wunden hinterlassen, die noch
jahrzehntelang nicht ausheilen werden, als würden sie am Körper ihrer Nation
keine Phantomschmerzen aus der Sowjetzeit spüren. […} Dieser Unwille, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, beschert
dem postsowjetischen Raum Kriege und ethnische Konflikte. Unabhängig von der
jeweiligen Rhetorik blüht der Nationalismus, wobei auch die demokratische
Rhetorik keine Ausnahme bildet.Eine Rückkehr nach Europa ist nur durch die Auseinandersetzung mit der
jüngsten totalitären Geschichte möglich, mit jenen Mechanismen, die
Russen, Ukrainer, Weißrussen, Kirgisen und Georgier gleichermaßen
unterjocht haben. Erst wenn diese Arbeit getan ist, werden unsere
Vorstellungen von Europa komplexer, differenzierter und – was das
Wichtigste ist – realistischer, auch wenn sie dann nicht so hochtrabend
klingen werden wie die der »Übereuropäer«.
(And who are these ‘Russians’ and ‘Georgians’
anyway? Most of them are post-Soviet people who think they have returned to
their national niches after the end of the Great Terror – as if the Terror had
not left them with deep wounds that would take decades to heal, as if their
nation would not feel the phantom pains of the Soviet era. …  The refusal
to confront their own past is bringing wars and conflict to the post-Soviet
region. Regardless of the form the rhetoric takes nationalism is flourishing,
and democratic rhetoric is no exception here. … A return to Europe can only
be achieved by confronting the recent totalitarian past and those mechanisms
that reduced the Russians, Ukrainians, Belarusians, Kyrgyz and Georgians to the
same servitude. Only when this work has been done can our concepts of Europe
become more complex, nuanced and – what is more important – realistic.)